Europa-III

 
 

 

Die Europa-III wurde 1969 als Projekt beschlossen und befand sich bis zur Einstellung aller Arbeiten 1972 in einer frühen Entwicklungsphase. Die Europa-III sollte mindestens die doppelte Nutzlast der Europa-I aufweisen.
 

Die Europa-III A war eine unveränderte Blue Streak mit einer hoch energetischen, kryogenen zweiten Stufe mit 14 t Treibstoffzuladung. Die Startmasse betrug etwa 110 t bei einer Höhe von 33 m und einem durchgängigen Durchmesser von 3,05 m. Die zweite Stufe sollte ein spezifischer Impuls von 4.393 m/s aufweisen. Die Nutzlast betrug 500 kg in den GEO-Orbit, ausbaubar auf 900 kg. Mit Boostern ware eine Nutzlast von 720 kg in den GEO-Orbit erreicht worden.

Die Europa-III B setzte dagegen auf eine neue erste Stufe. Die L120 mit französischen M55/M40 Triebwerken hätte bei 120 t Treibstoffzuladung einen Schub von 4 × 55 t oder 5 × 40 t. Die zweite Stufe nutzte LOX/LH2  (Triebwerk RZ.20) und hatte eine Startmasse von 25 t. Der Schub ihres Triebwerks betrug 200 kN. Die Startmasse der Rakete betrug 160 t, die Nutzlast 560 kg in den GEO-Orbit, ausbaufahig auf 850 kg. Der Durchmesser betrug 3,60 m, die Länge 36 m.

Bei der Europa-III C sollten vier anstatt zwei Rolls-Royce Triebwerke RZ.2 in der ersten Stufe eingesetzt werden, wodurch sich die Treibstoffzuladung einer Blue Streak auf 140 t vergrößert hätte. Der Schub eines RZ.2 wäre auf 63 t (618 kN) reduziert worden. In der zweiten Stufe wäre das gleiche Triebwerk RZ.20 wie bei der Europa-III B zum Einsatz gekommen. Sie wäre aber mit nur 17 t Treibstoff kleiner gewesen. Die Startmasse hätte 175 t betragen. Sie wäre mit 37 m Höhe und 3,60 m Durchmesser die längste aller Varianten gewesen. Die Nutzlast hätte in der Basisvariante 650 kg für den GEO-Orbit betragen.

Die Europa-III D bestand aus zwei LOX/LH2-Stufen und war der Vorschlag mit der geringsten Startmasse (nur 78 t). Die erste Stufe hätte 55 t bei 50 t Treibstoffzuladung gewogen, die zweite Stufe 20 t, davon 17 t Treibstoff. Die Nutzlast in den GEO-Orbit hätte in der Basisversion 700 kg betragen, mit 70 t Treibstoff in der ersten Stufe wäre sie auf 900 kg gestiegen. Beide Stufen setzten dasselbe Triebwerk ein, nur die erste Stufe vier bis fünf der 200-kN-Triebwerke. Dieser Träger wäre aber nicht vor 1982 verfügbar gewesen. Die Europa-III D hätte einen Durchmesser von 3,80 m und eine Länge von 34 m gehabt.

Die Europa-III E war eine Europa II mit zwei Blue Streak als zusätzliche Booster. Je nach Variante betrug die Nutzlast für einen geostationaren Übergangsorbit 1.160 bis 1.550 kg, also das drei- bis vierfache der Nutzlast der Europa-II. Alle Vorschläge waren so ausgelegt, dass die Nutzlast noch gesteigert werden konnte.
 

Die Vorschläge, welche die bisherige Blue Streak oder ihre Triebwerke nutzten, hatten angesichts des Rückzugs von England aus der ELDO keine Grundlage mehr und die Vorschläge Europa- III A, C und E kamen nicht mehr in Betracht.

Die Europa-III B wäre schnell umsetzbar gewesen. Die Triebwerke der ersten Stufe basierten auf der Technologie der Coralie und der Diamant. Die Prototypen M40 und M55 existierten bereits. Die zweite Stufe sollte von Cryorocket, einem Joint-Venture von MBB und SEREB, entwickelt werden. Die Europa-III B hätte etwa 5.500 kg in eine äquatoriale, 200 km hohe Bahn befördern können oder 4.500 kg in eine polare Bahn in derselben Höhe. Die Nutzlast für den GTO-Orbit hätte 1.550 kg betragen. Im April 1970 wurde beschlossen, den Vorschlag der Europa-III B umzusetzen.
 

Die erste Stufe wurde von Frankreich gestellt. Statt fünf M40 sollten vier M55 Triebwerke verwendet werden. Sie verwendeten, wie die Coralie, die lagerfahigen Treibstoffe NTO und UDMH. Die getrennten Tanks waren in konventioneller Bauweise gefertigt und selbsttragend. Die Triebwerke arbeiteten mit einem niedrigen Verbrennungsdruck von 40 bar und wurden, wie die bisherigen Triebwerke von Karl Heinz Bringer (Konstrukteur der Antriebe der Diamant und Coralie), filmgekühlt und verwendeten radiale Einspritzung. Erstmals wurde bei einer französischen Stufe eine konventionelle Turbopumpenforderung verwendet. Nur der Gasgenerator erinnerte noch an die alte Technik. Er verbrannte NTO und UMH im stochiometrischen Verhältnis und kühlte die Gase durch Einspritzen von Wasser. Aus ihr sollte später die erste Stufe der Ariane-1 entstehen.

Die zweite Stufe war technologisches Neuland fur Europa. Sie sollte ein in Deutschland entwickeltes Triebwerk mit 200 kN Schub einsetzen, welches mit Wasserstoff und Sauerstoff angetrieben wird. Dazu sollte das Hauptstromverfahren, mit dem MBB bereits Erfahrungen hatte, eingesetzt werden. Deutschland hatte sich fur die Entwicklung der zweiten Stufe qualifiziert, weil seit 1967 ein „LH2 Experimentalprogramm“ mit Vorarbeiten für eine mit Wasserstoff angetriebene Stufe durchgefuhrt wurde. Schon 1963 wurde bei MBB ein 130-kNTriebwerk mit einem neuen Hauptstromverfahren entwickelt. Das Triebwerk hatte einen hohen Brennkammerdruck von 130 bar aufgeweisen. Die Expansionsdüse hatte ebenfalls ein hohes Entspannungsverhältnis von 160. Es sollte Sauerstoff im Verhaltnis 6 zu 1 mit Wasserstoff verbrennen, ebenfalls ein sehr hohes Verhältnis. Dadurch entstand ein sehr hoher spezifischer Impuls, der damals weltweit beste Wert.

Die zweite Stufe galt als der technisch anspruchsvollste Teil der Rakete. Eine bis zu 11 m lange Nutzlastverkleidung sollte Platz fur große Nutzlasten bieten.

 

Der Durchmesser der Europa-III wurde von anfangs 3,60 m auf 3,80 m erhöht. So konnte die Länge von der zweiten Stufe von 12,20 auf 10,50 m und der ersten Stufe von 19,20 auf 18,40 m verkürzt werden. Im Gegenzug konnte die Nutzlasthulle von 8,50 auf 11 m verlängert werden. Die Europa III sollte bis 1979 entwickelt werden.

 

Als im Dezember 1972 alle Arbeiten an der Europa-III eingestellt wurden, waren die Treibstofftanks beider Stufen, das Schubgerüst und die Triebwerke der ersten Stufe und Teile des Triebwerks der zweiten Stufe bereits entwickelt worden.

 

Source: Bern Leitenberger